Von Vardø nach Archangelsk

Von Vardø nach Archangelsk segeln.

 

Ich bin schon einige Tage zurück von meiner großen Reise dieses Jahres.

 

Die letzten Wochen waren so vielschichtig, dass ich gar nicht weiß, was ich zuerst berichten soll. Ich schwelge in unsortierten Erinnerungen und habe geistig noch gar nicht richtig abgeschlossen. Und es fällt mir, nach circa fünf fast komplett internet-freien Wochen, schwer mich wieder an den Laptop zu setzen. Obwohl ich natürlich Lust habe, meine Erfahrungen, Fotos und Videos zu teilen! Mich haben einige Emails erreicht, und ich versuche in den kommenden Beiträgen auf die Fragen einzugehen. Hiermit gibt es den ersten Teil des Überblicks über „den Segeltrip 2015“.

Verliebt ins Ende der Welt - Norwegisches Vardø

Meine neue Liebe: Vardø in Norwegen.
Meine neue Liebe: Vardø in Norwegen.

Los gings Ende Juni.

Nach einer Nacht am Osloer Flughafen (dort kann man übrigens ganz vorzüglich eine Nacht verbringen!) kam ich am Ende der Welt an.

 

Das Ende der Welt ist das norwegische Fischerörtchen Vardø. Und in dieses Vardø habe ich mich auf der Stelle verliebt. Trotz, oder gerade wegen, der teilweise etwas rumpeligen Geschichte des Ortes, hat es ein ganz besonderes Flair.

 

Es ist kein Wunder, dass Vardø eines der Highlights für die Hurtigruten-Touristen ist. Sie kommen mit diesem riesigen Koloss von Schiff angerauscht und überrennen den kleinen Ort für einige Stunden, bevor sie ihn wieder zurücklassen, wie er war. Verlassen, verhext, und verträumt.

Ich traf Charlotte und Vanessa, die bisherige Crew, und natürlich Pouncer: Mein Zuhause für die nächsten Wochen.

Die folgenden Tage waren von Organisatorischem geprägt. Vanessa reiste ab, um für einige Wochen in ihre griechische Heimat zu reisen, Arne kam an. Diesel und Motoröl wurden besorgt, Wasser aufgestockt und Vorräte eingelagert. Das Anbringen vom Sturm-Jib wurde geübt, Sicherheitsmaßnahmen besprochen, die Spannung von Wanten und Stagen geprüft und optimiert.

Wir bereiteten uns auf die große Überfahrt vor.

Zwischendurch war Zeit für die Erkundung des Örtchens, den ein oder anderen Wein und das Anfreunden mit unseren „Nachbar-Fischern“.

Auf hoher See

Fröhlich stampft Segelboot Pouncer durch die Gegend.
Fröhlich stampft Pouncer durch die Gegend.

 

Am Mittag des 30. Juni ist es endlich soweit.

Im Hafen von Vardø setzen wir die Segel, winken anderen Seglern und Fischern zum Abschied und steuern aus dem Hafen hinaus. Der Sturm der letzten Tage, hinterlässt uns starken Seegang.

 

Ich bin aufgeregt.

 

Um die Bewegungen des Bootes einschätzen zu lernen, verbringe ich die ersten zwei Stunden am Ruder. Es fällt mir schwer den Kurs zu halten, jede Welle ändert ihn wieder. Während sich die Küste Norwegens langsam aber sicher entfernt, bereitet Skipper Charlotte uns ein Mittagessen auf dem schwankenden Herd zu.

 

Wir halten eine Crewbesprechung ab und beginnen mit den Wachen. Charlotte ist zuerst dran. Arne und ich schlüpfen in die Kojen.

 

Ab diesem Moment gibt es kein Tag und Nacht mehr. Nicht weil es nachts taghell ist, sondern weil zu jeder Zeit jemand an Bord wach sein muss. Wir schlafen abwechselnd für circa drei Stunden, und sind dann vier bis acht Stunden wach. Tagelang.

 

Ich halte das besser durch als ich angenommen hatte. Wache für Wache lassen wir erst die norwegische, dann die russische Küste rechts liegen. Halten uns mindestens 20 Seemeilen von ihr entfernt. Können manchmal in der Ferne auf dem Land Schnee erkennen, manchmal einen Leuchtturm. Mal segeln wir, mal läuft der Motor.

Wir sind allein.

Erst nach drei Tagen sehen wir ein anderes Schiff. Einen großen Frachter, der uns keine weitere Beachtung schenkt, Klein-Pouncer vielleicht nicht einmal sieht.

Wir haben Sonne und Regen, Flaute und Winde aller Art. Werden manchmal von schwarzglänzenden Kegelrobben begleitet. Sehen Wale, die wir nicht bestimmen können. Die Zeit zieht vorbei, ohne dass wir viel davon merken. Wir hängen unseren (Segel-)Gedanken nach. Nach einigen Tagen sind wir schon wieder unterhalb des Polarkreises. Überqueren mit süd-östlichem Kurs das Weiße Meer. Sind aufgeregt, zur Abwechslung auf der linken Seite Land zu sehen.

 

Barentssee. Mitternacht. Am Rand des Arktischen Ozeans. 68°9´N 40°21´E
Barentssee. Mitternacht. Am Rand des Arktischen Ozeans. 68°9´N 40°21´E

Ankunft in Russland - Archangelsk

Happy Crew und russisches Empfangskomitee in Arkhangelsk.
Happy Crew und russisches Empfangskomitee in Arkhangelsk.

 

Nach der stundenlangen Einfahrt in Richtung Archangelsk, betreten wir nach sechs Tagen auf dem Boot schwankend und strauchelnd festes Land.

 

Wir werden zum Zoll begleitet.

 

Ungefähr 10 Beamte umringen uns auf dem Weg. Vorne, hinten und an den Seiten. Während ich auf dem gesamten Schlag nicht einmal seekrank oder schwindelig war, verkrafte ich das „an Land kommen“ weniger gut. Schlafmangel und das Vergessen des Essens während der letzten aufregenden Stunden der Einfahrt taten ihr Übriges und entluden sich.

 

Spätestens nach der vierstündigen Befragung (aus der ich dank meines Zustands fast ganz rausgelassen wurde) und als wir wieder an Bord Pouncers waren, ging es mir wieder besser.

Wir verbrachten eine wundervolle Woche in der aufstrebenden Stadt Archangelsk. Lernten tolle Menschen kennen, verspeisten Tonnen typisch russischer Gerichte (danke, Olga!) und probierten uns durch einige Sorten Vodka. Neben einem Besuch im Freiluftmuseum Malyje Korely, Strandspazier- und Stadterkundungsgängen lernten wir viel über die Stadt, ihre Bewohner, ihre Gegenwart und ihre Geschichte.

 

Eigentlich wären wir gern länger geblieben. Aber es gab noch weitere Meilen zu segeln, andere Städte zu erkunden und neue Abenteuer zu erleben.

 

Hier gehts zum zweiten Teil der Segel-Reise.

 

Gute Aussichten!
Gute Aussichten!

Text: Rike Jütte

Fotos: Arne Gerken und Rike Jütte


Danke fürs Lesen!

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