Das Weiße Meer, die Solowezkis, und schon wieder Richtung Heimat

Das Weiße Meer, die Solowezkis und schon wieder Richtung Heimat.

 

Nachdem ich in Von Vardø nach Archangelsk einen Überblick über den ersten Teil „des Segeltrips 2015“ gegeben habe, kommt heute Teil 2.

 

Wir waren nach einigen tollen Tagen im norwegischen Vardø, durch Barentssee und Weißes Meer ins russische Archangelsk gesegelt, hatten die Zollkontrolle mehr oder weniger glorreich überstanden und lagen im kleinen Yachtclub Nord.

Turn Nr. 2, Von Arkhangelsk nach Solowki

Das Weiße Meer. Es ist grau. Und garstig. 65°2´ N 39°16` E
Das Weiße Meer. Es ist grau. Und garstig. 65°2´ N 39°16` E

 

Svarte kam in Archangelsk erneut zur Pouncer-Crew hinzu.

Wir bereiteten uns auf die Reise zu den Solowezki-Inseln vor.

 

Nachdem wir den ersten Schlag so gut überstanden hatten, hatten wir die, wesentlich kürzere, zweite Segelstrecke falsch eingeschätzt. Unterschätzt, um genau zu sein. Wir wussten, dass es windig werden würde. Aber der Wind gegen den wir anzukämpfen hatten, kam, zumindest für mich, sehr unerwartet. Ich konnte die Situation mit meiner bisherigen Segelerfahrung (die hauptsächlich aus dem Trip von Vardø nach Archangelsk bestand) nicht einschätzen. War weder mental, noch klamottentechnisch richtig vorbereitet. Selbst für den segelerfahrenen Rest der Crew waren die fast vierzig Knoten Wind eine Herausforderung. Es gab keine richtig ruhigen Momente auf der Reise, es ging hauptsächlich darum, das Boot stabil zu halten.

 

Wir kamen unglaublich erschöpft nach der nicht mal zweitägigen Reise auf den geschichtsträchtigen Inseln an.

 


Tatsächlich habe ich erst im März 2018 den detaillierten Text zu diesem Teilabschnitt wieder hervorgekramt und aufgearbeitet: Sturm im Weißen Meer - Segeln von Archangelsk nach Solowetzki.


Segeln vorbei, Land ahoi!

Blick auf das Kloster der Solowezki Inseln. Mit Möven.
Blick auf das Kloster der Solowezki Inseln. Mit Möven.

 

Unsere Zeit auf der Insel war kurz. Wir waren müde und irgendwie frustiert. Arne und ich verließen Solowki schon am folgenden Tag.

 

Wir kamen nach einer lustigen Fährüberfahrt, die unsere Stimmung wieder beträchtlich hob, im russischen Kem an.

 

Mit all unseren feuchten Klamotten, gönnten wir uns eine Nacht im Hotel und machten uns zur Erkundung des Örtchens auf. Wir bekamen eine Führung durch die alte Holzkirche, auf die die Einwohner sehr stolz sind, kamen von Wegen ab, akklimatisierten uns wieder „an Land“ und begannen Vergangenes zu reflektieren.

Hotel auf Schienen

Gewaschen, gestärkt, gemangelt: Frische Zughotel-Bettwäsche.
Gewaschen, gestärkt, gemangelt: Frische Zughotel-Bettwäsche.

 

Von Kem aus, wollten wir weiter in Richtung Norden. Mittel der Wahl war der Nachtzug nach Murmansk. Unser Schienenhotel war eines der besten, des ganzen Trips. Wir hatten es unglaublich gemütlich, während die schöne Landschaft Kareliens an uns vorbeisauste.

So europäisch!

Murmansker Mint-Bahnhof.
Murmansker Mint-Bahnhof.

Früh morgens kamen wir in Murmansk an. Wir fanden schnell ein Café mit Internetzugang und planten unseren weiteren Aufenthalt.

 

Im Gegensatz zu Arkhangelsk gibt es in Murmansk viele Hotels. Gleich das erste gefiel uns so gut, dass wir uns entschieden, zu bleiben.

 

Während sich Arkhangelsk, die Solowezki Inseln und Kem sehr „russisch“ anfühlten, war das Gefühl in Murmansk schon wieder eher "europäisch".

 

Von der vorherrschenden Ostblock-Architektur mal abgesehen. Aber auch die hat gewissen Charme. Wir bummelten durch die Stadt, gingen schick Essen und besorgten Mitbringsel.

Back to Scandinavia

Zelten. Ohne Zelt.
Zelten. Ohne Zelt.

Von Murmansk aus, nahmen wir den Bus nach Finnland. Erst nach Ivalo, von dort aus weiter nach Rovaniemi.

 

Die Busse mussten ständig abbremsen und Schlenker fahren, um den Rentieren auszuweichen. Ich war von den ersten fünfzig noch fasziniert und schoss viele Fotos. Nach weiteren hundert jedoch, hatte ich den Spaß daran verloren und ließ mich in den Schlaf schaukeln.

 
In Rovaniemi angekommen, deckten wir uns mit Brot und Käse für die weitere Reise ein. Der Plan war, trampend weiter in Richtung heimisches Umeå zu kommen.

Aber mit dem Trampen ist das ja immer so eine Sache…

Zwei nette junge Leute sammelten uns ein, schenkten uns Dosenbier, gaben uns finnische Musiktipps und brachten uns von der Stadt aus an eine Stelle etwas außerhalb, von der sie dachten wir kämen besser weiter. Dem war nicht so.

 

Es war schon relativ spät am Freitagabend. Wir wechselten uns nach je 50 Autos mit dem Daumen ab, hatten aber kein Glück. Zähneknirschend (zumindest meinerseits) machten wir uns also auf, einen Schlafplatz für die Nacht zu finden. Im Wald.


Ich glaube, die ortsansässigen Mücken haben schnell allen Mücken des Landes mitgeteilt, dass es bei Rovaniemi ein Essensbuffet in Form von zwei leckeren Menschen gab. Wir vertrieben sie aber relativ erfolgreich mit Feuer und Kräutern und schützten uns mit Klamotten.

Noch nie hatte ich eine Nacht draußen ohne Zelt geschlafen. Und es war wesentlich angenehmer als ich dachte. Wir kochten Wasser in einer leeren Dose, hatten so abends Tee und morgens Kaffee. Brot und Käse wurden ebenfalls über dem Feuer geröstet. Entgegen der Annahme, dass wir nur einige Stunden schlafen würden (ohne Zelt und Isomatte), wachten wir erst nach neun Stunden ausgeschlafen und -geruht wieder auf.

Und manchmal klappt es doch!

Rucksack auf und Daumen raus. Ich bin vom Trampen in Skandinavien noch nicht überzeugt...
Rucksack auf und Daumen raus. Ich bin vom Trampen in Skandinavien noch nicht überzeugt...

 

Nach der tollen Outdoor-Nacht bei Rovaniemi hielten wir erneut den Daumen raus. Und siehe da: Keine Zehn Autos später saßen wir in einem kleinen Fiat mit einem interessanten Finnen.

 

Wir haben während der gemeinsamen Fahrt nie richtig herausbekommen, wo er eigentlich hinfuhr. Ich glaube er hätte uns bis nach Hause kutschiert. Aber die Unterhaltung war holprig und zeitweise merkwürdig, sodass wir uns entschieden ihn in Luleå zu verlassen. Dort wurden wir an einer äußerst ungünstigen Tramper-Stelle von einem netten älteren Pärchen aufgelesen. Sie gaben uns ihre Adresse, für den Fall, dass wir nicht weiterkämen und einen Schlafplatz bräuchten und fuhren uns ein Stück in die richtige Richtung an einen vermeintlich besseren Platz.

 

Und wieder: Kein Glück.

 

Hunderte Autos rauschten an uns vorbei, ohne uns Beachtung zu schenken. Unwillig sahen wir ein, dass wir wohl heute nicht mehr heim kämen. Wir gingen in Richtung der Bushaltestellen, um zu schauen, ob wir zumindest wieder in Richtung Luleå kämen, von wo wir dann am nächsten Tag einen Zug oder Bus nehmen könnten.

 
Und siehe da. Eine Viertelstunde nach Ankunft an der Bushaltestelle, von der wir einen letzten Tramperversuch starten wollten, kam ein Bus.

 

Endhalt Umeå.

 

Wir wurden beim Einsteigen vom netten Fahrer mit den Worten: „Wo kommt ihr denn her? Aus dem Wald?“ begrüßt. Er war höchst interessiert an unserer Tour, von der wir ihm im Schnelldurchlauf Bericht erstatteten, und bekam einen verträumt-neidvollen Blick in die freundlichen Augen.

Hemma igen

Wir kamen irgendwann nachts in Umeå an. Müde traten wir die letzte Etappe unserer Reise an: Trugen unsere 60kg die letzten 5km. Nichts wurde sortiert, nichts ausgepackt.

 

Müde und zufrieden fielen wir ins Bett und schliefen die nächsten 12 Stunden durch.

 

Von der nächsten großen Reise träumend.

 

 

Text: Rike Jütte

Fotos: Arne Gerken und Rike Jütte


Danke fürs Lesen!

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